Wie ist eure Idee, euer Konzept für den Laden?
U: Wir verkaufen exklusive Second-Hand-Ware. Das resultiert daraus, dass viele unserer Kunden eine Leidenschaft für hochwertigen Textilien & Design haben, aber leider nicht das entsprechende Portemonnaie. In den 80/90ern war das noch ein bisschen verpönt, so nach dem Motto “Oh, Second-Hand, getragen und ein bisschen muffig”, das fand nicht überall Akzeptanz. Mittlerweile ist es gesellschaftlich gar kein Problem, im Gegenteil – unser Kundenkreis hat sich erweitert, neben den Liebhaberinnen zählen wir jetzt auch Kundinnen, die aus Gründen der Nachhaltigkeit bei uns einkaufen zu unseren Fans. Für mich war das schon immer eine Art „Schatzsuche“, ich kaufe gerne jenseits des Standards, auf Trödelmärkten und in Vintage Stores… unserer Kundinnen lieben es, exklusive Sachen zu suchen, aufzustöbern und wissen, dass sie es bei uns finden könnten!
K: Ja, und in Bezug auf den Umgang mit den Kunden: Da grenzen wir uns auch ein bisschen von dem Gros der Second-Hand-Szene ab. Sicherlich geht es in erster Linie auch bei uns um den Verkauf, aber gleich anschließend um das Persönliche, um die Bindung der Kunden zu uns, weil Kleidung verkaufen, das kann man immer und überall – gerade in Zeiten des Internets. Man muss dem etwas entgegensetzen, damit auch eine persönliche Note bleibt. So sehen wir das.
U: Genau. Es gibt ja mittlerweile auch – das gab vor Jahren ebenfalls nicht – die ganzen Onlineportale mit Second-Hand-Angeboten. Ob es jetzt Vestiaire ist, oder Rebelle… Da würde man ja die Sachen, die man hier bekommt, auch bekommen. Ein großer Vorteil ist, dass wir halt wirklich hier sind. Die Kunden können anprobieren…
K: … Anfassen…
U: Genau, bei einer Tasse Kaffee, bei einem Plausch über Dies & Jenes… Ein geselliger, kurzweiliger Austausch, ein bisschen… Freizeitgestaltung. Ein schönes Einkaufserlebnis geht verloren, wenn man es anonym online kauft.
Das macht es dann vielleicht auch wertiger. Würdet ihr sagen, dass das Produkt dadurch auch aufgewertet wird? Weil ein Erlebnis hinzukommt?
K: Ja, finde ich schon.
U: Absolut! Der Kundin einfach einen Artikel über die Theke reichen, oder der Postbote bringt das Paket… Sachlich betrachtet: gleiches Ergebnis, emotional betrachtet: 100% Mehrwert. Die Waren bekommen Charakter, Wertigkeit, das erlebte Einkaufen bleibt in Erinnerung. Für viele nicht allzu Interessierte nicht nachvollziehbar oder sogar negativ mit „oberflächig“ behaftet. Man darf dabei aber nicht vergessen, sich etwas Wunderbares zu kaufen oder überhaupt einkaufen zu gehen hat viel mit persönlicher Identität und Wertschätzung zu tun, kann auch Lebensqualität sein. Natürlich alles in Maßen – wenn man es übertreibt, ist es nicht mehr schön.
K: Das sehe ich genauso.
Wie wählt ihr die Stücke aus, die bei euch verkauft werden? Worauf legt ihr Wert?
U: Da gibt es ganz viele Faktoren.
K: Also Originalware muss es sein – dann ist der Zustand sehr wichtig. Die Sachen sollten gepflegt sein. Und die Saison sollte auch nicht ganz so veraltet sein. Also wenn die Sachen vor 30 Jahren getragen wurden… Das passt nicht zum Konzept des KAUFLADENs.
U: Genau. Wir nehmen Vintage-Stücke an, wenn das „heiß“ begehrte Ware ist. Da denke ich gerade an „Chanel“ oder „LV“ Stücke aber auch an diese gerade hippen Karoröcke. Wir haben diese sehr langen Karoröcke vor einiger Zeit angeboten. Lange Röcke, Midiröcke, Faltenröcke sind en vogue, eigentlich super spießig, aber angesagt… Da waren wir uns zuerst nicht sicher. Die Produkte waren auch nicht teuer, keine Markenware aber top Vintage Stücke. Lässig, weil sie zum Zeitgeist passen. Wir haben sie dann im Fenster dekoriert und beide wurden rasant verkauft. Es ist also eine Kombination. Wir sind eigentlich auf Markensachen spezialisiert, internationale Labels wie Miu Miu, Prada, Gucci, Balenciaga, Lanvin und und und…verkaufen aber auch gerne ausgefallene Einzelstücke, die sich als hervorragende Ergänzungsstücke eignen. Wir stellen uns immer die Frage: Würden wir das kaufen? Nicht in Bezug auf Geschmack, sondern Zustand, Begehrlichkeit, Design, Kombinationsmöglichkeit, Preis/Leistung…
K: Auch bei Schuhen ganz wichtig: Würden wir das Paar Schuhe selber tragen? Wenn das nicht der Fall ist, dann kommen der Artikel auch nicht in den Verkauf. Weil das gerade, was körpernahe Artikel betrifft, ein ganz schwieriges Thema ist. Wir nehmen keine Unterwäsche/Bademoden, keine Bodies, auch keine Leggings. Und es muss alles auch wirklich gepflegt oder neuwertig oder Vintage sein. Wie Ulrike schon sagt, es ist wichtig, dass man selber das Gefühl hat, das würde ich gerne anziehen. Ist vielleicht nicht mein Geschmack, aber von der Qualität und vom Zustand bin ich überzeugt. Dann passt das auch zu unserem Verständnis für Second-Hand und zum KAUFLADEN. Wir sind ein sehr kleiner Einzelhändler, wir müssen hier ganz genau selektieren. Wir wollen den KAUFLADEN nicht überfrachten. Denn jedes Teil ist besonders und soll auch so wahrgenommen werden. Wenn das dann so in Masse hängt und man sich das nicht richtig angucken kann…Da macht es auch keinen Sinn für die Kunden, finde ich.
Was würdet ihr sagen, was Münster in Sachen Second Hand so besonders macht? Denn hier gibt es ja schon ein relativ großes Angebot im Verhältnis zur Größe der Stadt.
K: Kunden sind heute sehr informiert. Und sie denken weiter. Sie denken auch schon lange über Nachhaltigkeit nach und leben das dann auch. Sie sind informiert und wissen, was es bedeutet, dass man gute Ware zu fairen Preisen bekommt. Sie freuen sich darüber. Und jeder Second-Hand-Laden, der hier in Münster seinen Standort hat, hat auch genau da seine Berechtigung – mit seiner entsprechenden Aussage und mit den entsprechenden Verkäuferinnen und Verkäufern. Jeder hat so seinen Platz hier, und ich glaube, das funktioniert in Münster auch gerade durch die Studentenszene.
"Kunden sind heute sehr informiert. Und sie denken weiter. Sie denken auch schon lange über Nachhaltigkeit nach und leben das dann auch."
Eine persönliche Frage: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in eurem privaten Leben? Nehmt ihr da eine Veränderung wahr? Wie geht ihr damit um?
U: Das war schon immer Bestandteil meines Lebens. Vielleicht nicht ganz so intensiv, weil es gerade so einen besonderen Drive bekommen hat, der für mich manchmal schon so einen übertriebenen Beigeschmack hat. Ich denke dann immer: Warum muss das jetzt so hardcoremäßig betrieben werden?
K: Sehe ich auch so.
U: Als kleines Beispiel – selbstreflektierte Menschen haben doch im Grunde genommen schon immer im Supermarkt keine Plastiktüte gekauft, haben keine Kaugummis oder Zigarettenkippen auf die Straße geworfen, haben Müll getrennt, regional eingekauft etc… haben umsichtig und nachhaltig ihr Leben gestaltet. Und jetzt ist es so, als wenn wir das neu erfinden müssten… viele Mitmenschen haben das verlernt, vielleicht aus Bequemlichkeit, weil es gesellschaftlich oder familiär nicht vermittelt wurde oder einfach verloren gegangen ist. Veränderung findet oft erst statt, wenn wirklich irgendwas Schlimmes passiert ist – ich denke, ähnlich wird das bei uns auch stattfinden müssen… Da gibt es auch noch einen weiteren, ganz großen Aspekt – die Wirtschaft, weil sie ökologischer, nachhaltiger denken und arbeiten muss. Unsere Wirtschaftszweige sind auf Gewinnmaximierung gepolt. Es ging selten darum, ob wir etwas ins Leben rufen, was ökologisch sinnvoller ist, sondern um primäre Gewinnmaximierung.
Aktuell nimmt das Ganze einen Turn, jetzt steht da die Aufforderung des Umdenkens im Raum. Das kostet enorm viel Geld und unser Kapitalismus mag das gar nicht… Es wird auch viele Firmen geben, die aufgeben müssen, weil sie die Umstellung finanziell gar nicht umsetzen können. Und deshalb kann das auch gar nicht so schnell gehen, denn wer soll das bezahlen? Das Schlimme und nicht Nachvollziehbare daran ist aber, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft das eigentlich schon seit Anbeginn der Industrialisierung bewusst war, dass die Welt diese Probleme haben wird.
Wie sieht eure Prognose für die Zukunft der Fashion-Industrie aus? Wir kennen alle die Probleme von Fast Fashion. Wird es eine Rückbesinnung auf weniger, und dafür qualitativ hochwertigere Mode oder mehr Second Hand geben?
U: Also wenn man die Presse verfolgt, dann sieht man, dass es einigen der ganz Großen der Textilindustrie und des Handels, u.a. auch den Low-Budgetketten, finanziell schlechter geht – der erste Schritt, es wird rückläufiger. Allerdings wird es dann vielleicht neue Firmen, neue Konzepte geben, um günstige Angebote zu erhalten. Es muss ja auch verschiedene Segmente geben… Die werden natürlich auch mehr Auflagen bekommen, dürfen irgendwann nicht mehr ganz so billig und respektlos produzieren. Und wird vielleicht in Zukunft kein T-Shirt für 1,50€ mehr geben? Davon bin nicht wirklich überzeugt…wie gesagt die Sache mit dem Kapitalismus…
K: Und was man natürlich auch immer bedenken sollte, dass es wirklich diesen Vormarsch in der Fashionindustrie gibt, was den Onlinehandel angeht; damit haben die Einzelhändler schon sehr zu kämpfen. Und wenn man sich überlegt, dass einige in einer Woche fünf Pakete bestellen und davon viel wieder retoure schicken, ob das ökologisch vertretbar ist, ist dann auch die große Frage. Das merkt aber ebenso im hochpreisigen Bereich. Kunden sitzen abends vor den Computern und bestellen sich eine 3000€-Tasche, die wird vom DHL-Boten geliefert. Das ist eben das, was wir eingangs sagten wegen des Einkaufserlebnisses, das kann es nicht sein. Finde ich.
"Und wenn man sich überlegt, dass einige in einer Woche fünf Pakete bestellen und davon viel wieder retoure schicken, ob das ökologisch vertretbar ist, ist dann auch die große Frage."
Da geht ja auch die Wertschätzung einfach verloren. Da wird dann in Massen bestellt, dann kommen riesige Pakete an und davon wird dann natürlich die Hälfte am nächsten Tag wieder zurückgeschickt. Ich glaube, es geht halt viel um Wertschätzung.
K: Uns auf jeden Fall. Uns liegt das sehr am Herzen.
U: Bei vielen ist ja auch das Ding: Mode ist ein durchlaufender Posten. Ich glaube, dass man das aber auch irgendwie in der Erziehung und dem sozialen Umfeld vermittelt bekommt und mit zunehmenden Lebensjahren zu schätzen weiß und Begeisterung entwickelt oder nicht. Ebenso die Akzeptanz für höhere Preise etc. Also, ich finde immer, das Bewusstsein, das muss irgendwo in der Erziehung vermittelt werden. Und da ist nicht nur die Familie angesprochen, da ist auch die Schule angesprochen. Vieles wird ja in der Schule auch gar nicht thematisiert.
K: Im Gegenteil.
U: Genau. Das ist ja alles selbst herausgefunden. Wie langlebig zum Beispiel Stoffe sind, warum die einen langlebiger sind als andere und so weiter.
U: Eigentlich hat man solchen Unterricht ja in den Fächern Chemie, Biologie zum Beispiel. Das wären doch großartige Themen dafür! So etwas gibt es bis heute nicht…
K: Bei uns auch nicht.
U: Die Leute müssen eben darauf aufmerksam gemacht werden. Es muss zu einem Lebensthema werden – nicht nur in der Mode!